Freiheit

Ein Mensch fühlt sich dann frei, wenn er glaubt, es liege in seiner Macht, sich zwischen Alternativen entscheiden zu können. Wird die Freiheit aber bedroht, dann kommt das einer Aufforderung gleich, sich seiner Freiheit zu vergewissern.

Die Ehe ist eine Beziehungsform, die stark von dem Risiko geprägt ist, den Handlungsfreiraum des Partners einzuschränken. Je intimer eine Lebensgemeinschaft, um so größer ist die Gefahr für die individuellle Freiheit.

Dabei bietet gerade eine partnerschaftliche Beziehung gute Voraussetzungen, zusammen freier im Denken und Handeln zu werden. Das setzt aber voraus, daß beide Partner ehrlich kommunizieren, daß heißt durch Informationen, Rückmeldung und Verstärkung ihr Verhaltensrepertoire erweitern. Mehr Handlungsmöglichkeiten bedeuten mehr Freiheit - auch für den einzelnen.

War der Verhaltensspielraum eines Partners besispielsweise zuvor durch bestimmte Ängste eingeschränkt, kann er sich in einer partnerschaftlichen Beziehung mit der Hilfe des anderen von diesen Ängsten lösen und somit ein Stück mehr individuelle Freiheit gewinnen.

Das Gegenteil wäre eine Einschränkung der Verhaltensmöglichkeiten durch Verbote oder Tadel des Partners, so daß das Opfer letzlich in eine Stagnation hineinmanipuliert wird, die ihm eine weitere Entwicklung unmöglich macht. Hat das Selbstwertgefühl dann seinen Tiefpunkt erreicht, fehlt jegliche Motivation, Handlungsfreiheit wieder zu erlangen.

In einer partnerschaftlichen Beziehung gibt es neben dem Bedürfnis nach individueller Freiheit auch das Verlangen, in einem verläßlichen Zusammenhang zu leben. Wer sich nach Sicherheit und Geborgenheit in einer Verbindung sehnt, muß notwendigerweise gewisse Spielregeln und Grenzen respektieren. Werden die Verhaltensregeln in beidseitigem Einvernehmen ausgehandelt, dann können sie auch nicht das subjektive Freiheitsgefühl des einzelnen verletzen. Erst wenn die Vorschriften einseitig diktiert werden, fühlt man sich in seiner Freiheit bedroht.

Auch heute, in unserer emanzipierten Zeit, gibt es noch typisch patriarchalisches Besitzstreben. Die Tatsache, daß der Mann das Geld verdient, macht seine Frau zwar nicht automatisch zur "Sklavin", die ihren Lebenssinn ausschließlich darin sieht, die Bedürfnisse des Mannes zu befriedigen. Das darauf gerichtete Eheverständnis mancher Männer aber ist oft durch Modell des Vaters und Großvaters geprägt worden. Hinzu kommt nicht selten ein mangelndes Selbstwertgefühl, daß "Mann" durch eifersüchtiges Besitzstreben zu kompensierren versucht. Solche Beziehungen sind für beide Teile nicht sehr erfreulich.

Der unterdrückte Partner leidet unter mangelnder Freiheit zur Selbstbestimmung und der beherrschende Teil lebt ständig in der Angst, daß er die Macht über den anderen verlieren könnte. Er kann sich auch nicht recht an der gewissermaßen erpreßten Intimität mit seinem Partner erfreuen. Echte Zuneigung ist nur dann wertvoll, wenn sie freiwillig gegeben wird. Das kann aber in solch einer asymetrischen Beziehungskonstellation nie der Fall sein.

Verbindungen, die unter solchen Voraussetzungen begonnen werden, sind erfahrungsgemäß nicht von langer Dauer. Die nötige Einsicht und Motivation für eine Beziehungsänderung sind selten vorhanden. Früher oder später wird der unterdrückte Teil versuchen, die Verbindung aufzulösen.


(von Manfred Saniter)

 

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