Vertrauen

Der amerikanische Psychoanalytiker Erikson beschreibt in seiner Theorie der Persönlichkeitsentwicklung acht psychosoziale Phasen der Ich-Entwicklung.

ACHT STADIEN DER ENTWICKLUNG DES MENSCHEN
(nach Erik H. Erikson)

1. Lebensjahr Vertrauen vs. Mißtrauen
2. - 3. Lebensjahr Autonomie vs. Zweifel
4. - 5. Lebensjahr Initiative vs. Schuldgefühl
6. - 11. Lebensjahr Leistung vs. Minderwertigkeit
Jugendalter Identifizierung vs. Rollenverwechslung
frühes Erwachsenenalter Kontaktfähigkeit vs. Isolierung
mittleres Lebensalter Soziale Aufgeschlossenheit vs. Selbstversunkenheit
Alter Lebenserfülltheit vs. Verzweiflung

Die erste Stufe entspricht der oralen Phase Freuds. Nach E. H. Erikson erwirbt der Säugling im ersten Lebensjahr Vertrauen bzw. Mißtrauen. Das Verhältnis zwischen Vertrauen und Mißtrauen richtet sich nach der erfahrenen Zuwendung, Anerkennung, Liebe und Pflege in diesem Lebensabschnitt.

Grundlegende Tendenzen, sich selbst und seiner Umwelt zu vertrauen, bestimmen später entscheidend das Klima einer Partnerschaft. Die Fähigkeit, eine vertrauensvolle Beziehung herzustellen - eine Beziehung, in der man sich angenommen fühlt und nicht ständig seinen eigenen Wert beweisen muß (s. Selbstwertgefühl) - geht mit einem allgemeinen existenziellen Vertrauen einher.

Wer das Gefühl hat, sich auf das Leben verlassen zu können (Urvertrauen), ist weniger empfindlich gegenüber partnerschaftlichen Spannungen und nicht darauf angewiesen, sein gesamtes Vertrauensbedürfnis in der Zweierbeziehung zu befriedigen.

Das Vertrauen zu sich selbst und seinen Fähigkeiten ist ebenfalls für den beruflichen Erfolg eine entscheidene Voraussetzung. Selbstsichere Menschen wirken überzeugend und sind dadurch meist erfolgreicher als Personen, die verunsichert auftreten.

Vertrauensdefizite lassen sich manchmal durch einfache Übungen, wie sie das Sensitivitäts-Training anbietet (s. Senisitivitäts-Übungen) beheben. Es handelt sich dabei meist um non-verbale Techniken. Der Übende vertraut sich einer anderen Person "blind" an, läßt sich führen und weiß, daß er bei einem Fehltritt aufgefangen wird.

Der Dipl. Psychologe R. Wormser beschreibt in seinem Buch: Sensitiv Spiele zehn verschieden Übungen zum Stichwort "Vertrauen". Er meint, daß man Vertrauen erlernen kann, wie z.B. Autofahren oder Schreibmaschineschreiben.

Ein Übungsbeispiel: "Blind auf einem Stuhl":
Dazu werden 3-4 Stühle dicht nebeneinandergestellt, so daß man auf ihnen gehen kann. Der Übende hat die Augen verbunden und wird von zwei anderen Gruppenteilnehmern an den Händen geführt. Er muß sich ganz auf seine Begleitpersonen verlassen. Nachdem die Strecke öfters mit Hilfestellung abgeschritten ist, geht ganz allein (blind) und vertraut darauf, daß er aufgefangen wird, wenn er fallen sollte.

Solche Vertrauenserfahrungen lassen sich generalisieren, d. h. daß man auch in anderen zwischenmenschlichen Bereichen mehr Mut hat, Vertrauen zu zeigen.


(von Manfred Saniter)

 

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